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Die Kaiserin von EuropaWie ein Polarlicht bzw. ein Wetterleuchten flackert SI.SI. Klocker hin und wieder am Horizont Vorarlbergs. Die studierte Theater und Filmwissenschaftlerin lebt in Wien, bewegt sich ungebunden durch unsere schöne Welt und durch die Stile, Moden und Medien, schreibt, singt, malt, filmt. Demnächst erscheint ihre erste CD mit dem Titel "SI.SI. Empress of Europe".Kultur, März 2003Ein zerklingelter Walzer am Piano, eine Soubrettenstimme mit der nötigen Schärfe und ein lakonischer Text über die Hitze in Bad Ischl, die Schratt und die Jagd und über ein Haserl. SI.SI. Klocker legt los. "Es ist nur am Rande eine Parodie auf die Sissi der Romy-Schneider-Filme. Was hat Sissi mit Europa zu tun? Und wie wäre es, wenn Europa ein Kaiserreich wäre?" Eigentlich ist Europa eh ein Kaiserreich, meint die selbstgekrönte Monarchin. Brüssel regiere über unsere Köpfe hinweg, führe sich absolutistisch auf - und das alles ohne jeden Glanz. Wenn Kaiserin SI.SI. von Europa was zu sagen hätte, dann wäre jedenfalls Schluss mit den ewigen Sparpaketen. "Die Kaiserin propagiert Wellness für alle. Das heißt, dass es jedem einzelnen gut gehen soll. Seit Jahren werden ja über unsere Köpfe hinweg Sparpakete beschlossen. Da müssen wir sparen und sparen und wissen nicht einmal wofür. Sollen wird jetzt Abfangjäger kaufen oder was? Die Kaiserin ist gegen jedes Sparpaket! Und legt der freien Marktwirtschaft, die den Menschen sowieso mehr Negatives bringt als Positives, gerne Fesseln an!' "Grenzenlos, arbeitslos, hoffnungslos, obdachlos" sei das von Brüssel dirigierte Leben, klagt die Kaiserin. Und SI.SI. Klocker meint: "Es hat sich da schon eine recht seltsame Struktur gebildet, bei der die stärkeren Länder bestimmen, was geschieht in Europa. Ist es nur ein Europa der Großkonzerne und der Wirtschaft? Wo sind eigentlich die Rechte der Einzelnen?" WeltgefängnisAls Seeräuber-Jenny sieht sie sich da auf der Bühne stehen, umwogt von Mariannen, die in Brüssel das Ruder rumreißen vermittels "teurer Bomben". Dabei schien die Monarchin doch so friedfertig. "Ich will eben politische Themen aufgreifen:' sagt SI.SI. Klocker. "Es gibt zum Beispiel das Kriegslied für Daheimgebliebene'; da geht's darum, dass ein General mir ständig ins Ohr summt, man müsse jetzt wieder die Truppen vorschicken. Die Leute sind daheim vorm Fernseher und schauen sich das alles an. Ähnlich wie es heute wieder passiert. Mir kommt's ein bisschen vor wie im Zweiten Weltkrieg, wo man auch immer gesagt hat: Der Führer hat die ganzen Arbeitslosen weggebracht, und dann waren die alle im Krieg, sind an der Front erschossen oder in Konzentrationlagern ermordet worden. Es ist doch so ein beliebtes Mittel, dass man Krieg führt und Truppen entsendet. Da liegt doch eine ganz andere Politik dahinter, als es uns die Medienlandschaft vorgaukelt!' Aber wie Eminem als Osama Bin Laden durch ein Video zu hüpfen? Provokation mit dem aus gestreckten Mittelfinger? Nein, SI.SI. Klocker ist da mehr für die Zwanziger Jahre, den tiefen Alt einer Marlene Dietrich, wenn sie von der Lieböh singt, eine Prise Dekadenz und Androgynität versprüht. Vielleicht auch orientiert an Hildegard Knef, Ingrid Caven. In Berlin und Wien sei sie immer wieder mit ihren Liedern aufgetreten, erzählt sie. Berlin habe ihr Interesse an Chansons geweckt. "Ich hab dort Cora Frost gesehen und mir gedacht: das kann ich auch. Sie hat mir den Anstoß gegeben, in dieses Metier einzusteigen, und ich hab dann ein, zwei Jahre sehr kontinuierlich Lieder geschrieben und gesungen und bin damit in Berlin und Wien aufgetreten!' Viele Lieder hat sie zusammen mit Florian Benzer komponiert bzw. die Musik entstand in einer Improvisation zu fertigen Texten. Gabor Rivo am Piano arrangierte die Melodien. SI.SI. Klocker genießt diese Chanson-Abende, die durchwachsen von kabarettistischem Humor, einen intensiven Kontakt zum Publikum ermöglichen. Dabei entsteht eine ganz andere Stimmung als jene, die sie beim Schreiben erlebe. "Es ist ein sehr viel sinnlicheres Medium." Lieder, Reime, Traditionen - das ist eine Möglichkeit unter anderen für SI.SI. Klocker. "Ich möchte sicher auch noch ganz andere Sachen machen, die experimenteller sind, und bin da momentan, glaub ich, auf einem ganz guten Weg." Kabinett im ParlamentSeit drei Jahren arbeitet Klocker zusammen mit Mara Mattuschka und Gabi
Szekatsch als PR-Agentin für die Regierungstruppe CABINET 9. "Diese
Truppe von 9 Mitgliedern stellt eine parodistische Weltregierung dar.
Wir haben diese Gespräche im Parlamentshäuschen aufgenommen.
'Zukunftsgespräche des CABINET 9'. Es gibt ja im Wiener Parlament
oben so ein kleines Häuschen, das ist quasi die oberste Instanz des
österreichischen Parlaments. Gut, Grete Gulbransson hat SI.SI Klocker ja schon früher mit Erzählungen bedacht. Ober die historische Persönlichkeit der Gulbransson habe sie nicht besonders viel gewusst, ihre Familienromane auch für heutige Zeiten eher als langweilig empfunden, gibt SI.SI. Klocker unumwunden zu, "aber der Name Grete Gulbransson hatte etwas ungeheuer Skurriles und um diesen Namen und diese Identität herum habe ich eine literarische Kunstfigur entwickelt." Die Pointe dabei: Klockers "Leer- und Wanderjahre einer Dichterin" erschien zeitgleich mit dem ersten Band der Tagebücher von Grete Gulbransson, die Ulrike Lang vom Brennerarchiv Innsbruck herausgab. "Ich hab mich damals mit ihr zusammengesetzt. Sie hat mir einige der über 220 Original-Tagebücher gezeigt. Ich war beeindruckt von den Handschriften, die mit allerhand Zeichnungen illustriert waren. Ulrike Lang hatte mein Buch mit großem Interesse gelesen. Sie hat einige Sachen angestrichen und mich immer gefragt: Woher kannst Du das wissen? Die Tagebücher waren damals noch nicht veröffentlicht. Das war schon sehr mysteriös. Da gibt's ein Bild 'Die Frau im Eispelz', und die Gulbransson hatte sich selbst so bezeichnet. Also das war doch einigermaßen überraschend, denn es gab viele Parallelen zwischen der historischen Grete Gulbransson und meiner Kunstfigur!' Bei SI.SI. Klocker bleibt Grete - vulgo Greta - Gulbransson allerdings eine aus Schweden stammende Sozialdemokratin, die die ganze Regierungstruppe zur Ordnung ruft, eine etwas zickige Anstandsdame. Klocker, Mattuschka, Szekatsch fungieren als Sponsoren und PR-Agenten von CABINET 9. Im Film, den 'Zukunftsgesprächen', werden die neun Regierungsmitglieder bei einer ihrer Sitzungen im Paralmentshäuschen dokumentiert. CABINET 9 nimmt sich einiges vor, 11 zum Beispiel die Bewässerung der Josefstadt, die Erzeugung von hormonfreiem Trinkwasser ... es ist eine Mischung zwischen Utopie und Parodie auf die ganzen Kabinettsgespräche, wo Leute endlos beisammen sitzen und man weiß eigentlich nie, was rauskommt. Die Politiker verschwinden immer in ihren Kabäuschen und hecken etwas aus ... ja, es ist ein sehr amüsanter Film!' Abenteuer eines DandysUnd wer ist Lord Henry? "Das ist der Mann mit den drei Geschlechtern, der kann sich einmal in einen Mann, dann wieder in eine Frau verwandeln. Er hat eine gewisse Ähnlichkeitmit dem Orlando von Virginia Woolf Aber er ist noch viel radikaler, kann noch schneller wechseln, ein ungebundener Mensch, den man überhaupt nicht einer Geschlechterrolle zuordnen kann. Er darf einfach alles ausprobieren." Diesem Lord Henry hat SI.SI. Klocker auch einen Roman gewidmet, an dem sie seit einigen Jahren arbeitet. Es ist "ein Entwicklungsroman aus der Jetztzeit", von dem SI.SI. Klocker vermutet, er sei "der Zeit etwas voraus. Aber ich habe jetzt langsam das Gefühl, dass er fertig ist. Im Herbst war ich im Institut für Germanistik in einem Proseminar eingeladen und habe aus dem Manuskript vorgelesen. Die Diskussionen mit den StudentInnen war erfrischend und positiv!' Die eigene Zukunft sieht sie ebenso ungebunden wie die Lord Henrys - in Performance, Gesang, genauso wie in der bildenden Kunst oder dem Schreiben. "Ich kann es für mich nicht trennen und wehre mich auch dagegen, was ich tu in ein Kasterl zu sperren. Ich sehe mich als Künstlerin, die mehrere Talente hat und diese in unterschiedlichen Medien umsetzt!" Ingrid Bertel Kaiserin SI.SI. von Europa gibt sich die Ehre: Am 9. April 2003 lädt sie um 20 Uhr zum Soloabend mit Film, Texten und Chansons auf der Probebühne des Theaters am Kornmarkt in Bregenz
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